Albanien

Das Land, mit den freundlichsten Menschen von ganz Europa

Fahrrad Kilometer: 466 Kilometer.

Winken, hupen, Rufen
Der Zollbeamte hat so seine Mühe. Auf seinem PC probiert er eine halbe Stunde lang ein Programm zu öffnen, mit dem er die Pässe verwalten kann. Ich rate ihm, er solle ein Neustart durchführen. Welcome in Albany! Mittlerweile hat er seinen Chef kontaktiert. Nach dreiviertel Stunde bekomme ich den Pass zurück.  Nach der Grenze treffe ich einen schizophrenen Deutschen, er habe Angst, ihm sei Drogen irgendwo reingesteckt worden. Die Deutschen ….!
Ich fahre auf guten Strassen zum See Skada, der unter Naturschutz steht. Ich finde ein anständiges Plätzchen für meine erste Nacht in dem zuvor gefürchteten Land. Zu Hause verseuchen die Albaner unser Land, Schlägereien, Morde, fahren viel zu schnell Auto usw. Hier ist es wie ein umgekehrter Handschuh. Ich glaube zu träumen. Ich suche mir eine von der Hauptstrasse abgelegene Strasse und fahre so mitten durch winzige Dörfer. Die Leute winken, klatschen, lächeln und die Kinder rufen Hello, how are you? Ein Mann hupt mit seinem alten Laster, auf der Ladefläche herrscht ein Chaos mit Kühen, Schweinen und bellenden Hunden. Die Freundlichkeit läuft kalt über den schon verschwitzten Körper. Ich gerate auf eine sehr kleine Strasse und auf einmal ist sie fertig. Doch ich finde ein Schlupfloch über den Kieshügel. Auf der anderen Seite sieht es wie in einem verlassenem Kriegsort aus. Schon erspähe ich durch Zweige fünf verrostete Haubitzen in der Wiese stehen. Will gerade ein Foto schiessen, da ruft ein Soldat ich solle weiter ziehen. Vorne beim Zaun, wird es mir bewusst, dass ich mich auf militärischem Sperrgebiet begeben habe.
Bis zur Hauptstadt von Albanien ist es nicht mehr weit. Widerum wechsle ich auf Nebenstrassen, die mich fast aus den Socken hauen. Der Strassen Zustand ist noch um einiges schlimmer als in der Ukraine. Gut ist die Strecke flach, sonst müsste ich die Bremsscheiben eher auswechseln.

Ich hasse es, wenn es regnet beim Navigieren, denn die Tropfen verändern immer das Bild auf dem Tochscreen meines Tablets. Und so kommt es, wie es kommen muss, vor Tirana fängt es an zu regnen, genau dann, wenn ich mit der Navigation beginne. Die süsse Stimme im Gerät soll mich per Ohrenstöpsel zur eingebenen Adresse lotsen.
Der Koreaner, den ich in Montenegro getroffen habe, treffe ich durch modernste Reisetechnik wieder in Tirana. Ich will ihm gerade schreiben, wo er denn in welchem Strassenloch stecke, Wlan finde ich meistens in Restaurants, Bars oder Fast Food Ketten wie MC Donald und Co. Durch das kleine Profil-Foto-Symbol, sehe ich, dass er online ist. So rufe ich ihn per Skype an, und frage ihn, wegen der Adresse des Appartments, welcher sein neu gefundener Kollege gebucht hat. Schon wenig später umarmen wir uns freudig in einem schmucken, sehr günstigen Appartment. Ich teile mit ihm ein Zimmer, der Deutsche und ein Brite teilen das andere Zimmer. Zusammen gehen wir aus, essen albanische Köstlichkeiten und haben Spass!

Lagune
Der Abschied voneinander fällt beiden schwer. Wäre toll mit einem Asiaten zu reisen, aber er schlägt eine andere Richtung ein. Ich fahre wieder zum Meer. Hier in Tirana ändere ich meinen Plan und fahre nicht wie gedacht, nach Istanbul. Nicht nur wegen der Bombenstimmung, sondern weil ich auf der neuen Route noch viel mehr erleben werde und mir viele Sachen anschauen kann (siehe auch Griechenland Bericht).
Sogar die Hauptstrassen aus der Stadt raus und bis zum Meer runter sind teils katastrophal. Am Strand schlecke ich zuerst mal ein Eis zur Beruhigung. Von hier ist es flach bis zur Lagune, die ich ansteuere. In Kavaje führt mich ein Knabe, der schon raucht, zu einem Lokal, wo ich ein schmackhaftes Sandwich mit Pommes drin geniesse. Nebendran singt der Mohamed und lallt in der Moschee den Gläubigen zu.
Wegen der Autobahn, die mich austrickst, finde ich mal den Weg nicht, so fahre ich im Gegenverkehr so lange, bis ich auf die andere Strassenseite kreuzen kann. Niemand regt sich auf, alle machen einen schönen Bogen um den Schweizer.
Ein stürmischer Wind herrscht bei der Lagune Karavasta. Sogar der Kiter hat seine Mühen, den Kite oben zu halten. So stelle ich mein Zelt weiter hinten auf, windgeschützt, warm, habe Ruhe vom einzahnigen Mann und blicke auf die stürmische See.

Arme Leute = zufriedene Leute
Am nächsten Morgen fahre ich zwischen der Lagune und dem Meer weiter südwärts. Bei einem Aussichtstürmchen erhasche ich einen Überblick der gesamten Länge der Lagune. Ein Paar Fischer versuchen ihr tägliches Brot zu fangen. Anfangs gehts auf sandiger Piste vorwärts, dann wird der Sand tiefer, sodass ich immer wieder ins Rutschen gerate. Dann wirds steinig. Ich fahre durch Pinienwald, mal direkt am Wasser, später an Farmländer vorbei. Wenig später ist der Strassenbelag durch ein paar Dörfer am haarsträubendsten. Einmal muss ich das Fahrrad zwischen meine Beine nehmen, beide Füsse auf den Boden, um so vorwärts auf einem schmalen Pfad zu watscheln. Links würde man in den Wasserkanal, rechts in den Schlamm rutschen. Dann stosse ich mein Gefährt ein paar Meter, weil ich Angst habe, es könne auseinander fallen, wegen dem Gerüttel.

Ich frage einen jungen Mann, wie denn das kommt, warum bei uns die Albaner so austiggen, sprich sich falsch benehmen. Der junge Student erklärt mir, hier in Albanien haben sie eigentlich ein schönes Leben, haben einen Job, Freundin. Aber weil sie vom Staat unterdrückt werden, nur ein paar hundert Franken im Monat verdienen, wollen sie nach Nord Europa. Dort finden sie keinen Job, wegen ihrer Sprache, die Kultur ist anders, ihnen wird es daher langweilig und so gehen sie auf die Gasse und machen krumme Dinge.
Die Kinder in den Dörfern können zum Teil sehr gut Englisch sprechen, so wenden sie es gekonnt an, immer in freundlicher Sprache, nie aufdringlich. Die Erwachsenen zeigen Interesse und rufen Hello. Die ganz Alten schauen grimmig drein und schauen nur in eine Richtung. Am Schluss der Strasse, ein seltenes Bild in Albanien. Strassenmaschinen und Arbeiter, die versuchen eine vernünftige Strasse zu bauen. Durch ein weiteres Dorf fahrend, entdecke ich ein Mann ohne Beine. Er benutzt um sich vorwärts zu bewegen seine noch gesunden Händen, die er schützend in Pantoffeln steckt. Er ruft: „Hello!“ Und auf Deutsch: „Wie geht es Dir?“

Hügelig
Vlora wäre einen Nachtbesuch Wert gewesen, doch leider campte ich zu weit weg. Ich schlängle mich durch eine grosse Baustelle hindurch, die die ganze Promenade verschönern soll. Gestern wehte ein starker Gegenwind, sodass mein Tagesdurchschnitt auf nur 12 km/h gefallen ist, heute ein monströsen Pass. Steil, von Null auf mehr als eintausend Metern. In der Mitte fängt es an zu regnen. Besonders letzteres mögen die Langstrecken Velofahrer kaum. Doch wie immer wenn man oben ist, ist alles vergessen.
In einem riesigen Restaurant stille ich meinen Bärenhunger mit einem Grillteller. Hätte besser sein können, aber der nächste Supermarkt wäre noch weit. Im dicksten Nebel fahre ich auf nasser Strasse den Pass runter, wieder auf Meereshöhe. Nach und nach sehe ich mehr durch die Wolken, wie sich die Strasse an dem Berghang runter schlängelt.
Wenn die mechanischen Scheibenbremsen nass sind, bremst es kaum noch. Falls etwas im Weg steht, sei es eine Kuh, eine Ziege oder ein Mensch, ich hätte nicht mehr bremsen können, so fahre ich mit stark angezogenen Bremsen mit mindestens 25 km/h zittrig runter.

Süd-Albanien
Nach diesem Pass und sehr viele kleineren Steigungen überlege ich mir, wie weiter. Ich habe es satt die Launen der Bauingenieure zu beradeln. In Sarande gibt es drei Möglichkeiten weiter zu fahren. Ich nehme den durch die Berge… ich werde es nicht bereuen.
Immer an der Küste entlang zu fahren wirkt eintönig, sobald ich mich im Hinterland befinde, fühle ich mich wie in einem Paradies. Natürlich hilft die Landschaft von Süd-Albanien mit, sie ist eine der schönsten von ganz Europa. Berge mit Flüssen, frisch duftenden Wiesen. Plötzlich lautes Hundegebell, zwei riesen Hunde rennen auf mich zu. Ich hörte schon von vielen Radler, dass es sogenannte „Wild dogs“ in der Gegend habe. Ich denke, dass das nur Märchen sind. Doch diese zwei Hunde sind deutlich grösser und sehen böse aus, aber das sind noch lange keine Wild Dogs, sondern ganz einfach Hunde, die eine Schaf- oder Ziegenherde bewachen. Ich hatte Glück, denn es geht grad bergab, so geben sie schnell auf.
Das Kebab Sandwich in Sarande hält nicht lange an, so esse ich ein Viertel von dem übrig gebliebenen Nutella mit einem saftigen Apfel auf. Wenig später nach der Passhöhe weitet sich ein riesiges Tal vor meinen Augen aus. Ein Blick, den ich nie vergessen werde. Die Breite des Tales beträgt mehrere Kilometer, wunderschöne Berge auf denen noch ein wenig Schnee liegt.
Ich komme runter und werde von einem munteren Rückenwind begrüsst. In einem kleinen Supermarkt gebe ich meine letzten Leks aus, doch es ist hier so billig, dass ich am Schluss immer noch welche in meinem Portemonnaie habe. Über einen leichten Aufstieg zum Grenzübergang verlasse ich dieses bezaubernde Tal, wie auch das Land mit den von mir unerwarteten freundlichen Menschen. Süd Albanien kann ich euch wärmstens empfehlen, alles spott billig, schöne Landschaften, nette Menschen. Eine Reise kombiniert mit Griechenland (z.B. Insel Kos) ist nicht zu verachten. Die Strassen sind, wahrscheinlich wegen dem hügeligen Terrain, top. Falls ich nach meiner Pension nicht so viel Geld bekomme, wegen dem ständigen Reisen, könnte ich es mir vorstellen hier meine letzten Atemzüge zu inhalieren. Mit zweihundert Franken ist man hier gedient.

Alles Gute
Euer Stephan!