Balkan

Fahrrad Kilometer: 1044 Km

Kroatien (20. Reiseland meiner bisherigen Reise)

Das erste Balkanland empfängt mich mit den heftigsten Schauern und einer Eiseskälte. Direkt nach der Grenze zweige ich ab, um ein Stück auf einer alten Eisenbahnlinie zu fahren. Sie wurde von den adriatischen Ländern gestiftet und soll Zufriedenheit und Gesundheit fördern. So meide ich den stark frequentierten Verkehr an der Grenze und den eher steileren Anstieg über den nächsten Hügel. Der Überblick auf die unterhalb von mir liegende Bucht wird immer besser je höher ich komme. Einige Bauern besitzen dort unten eine eigene Fischzucht, die zusammen über die gesamte Bucht verteilt sind. Einige Häuschen sind noch intakt, die anderen nur noch Ruinen. Leider hat es grober Kies auf der Radroute, so hüpfe ich wieder auf die Strasse, zur Strafe gibts einige Regengüsse. Ich muss die Kapuze meiner erst kürzlich gekauften Regenjacke tief runter ziehen, so bekomme ich von der herbei flitzenden Gegend nicht mehr viel mit.

Porec ist die Ferie Destination 2016 meiner Eltern, darum besuche ich dieses herzige Städtchen. Wegen Auflösung eines Hostels, bin ich gezwungen im freien zu nächtigen. Keine heisse Dusche, keine Küche, kein weiches Bett! Doch ich finde ein Club Haus, das noch im Winterschlaf zu sein scheint. Mit kroatischer Währung, gespendet von meiner Mutter, gönne ich mir dafür einen schmackhaften Grillteller.
Weiter gehts schnurstracks über eine Hügelkette auf die andere Seite der Halbinsel. Dort befindet sich ein Warmshower Kandidat, der schon mit zwei anderen Gästen auf mich wartet. Ein Spanier und ein Franzose, beide 23j., fahren nach Athen. Der eine möchte einfach vor Ort sich ein Bild davon machen, warum Griechenland in der Krise versinkt. Bertie ist Engländer, arbeit als Online-Poker und ist sehr easy-going und weiss was ein Radler braucht. Eines geniesse ich besonders in hohen Zügen, eine heisse Dusche!
Die Fähre bringt mich rüber zur Insel Cres. Wie immer treffen sich viele Wege an einer Fähre. Ein kanadisches Pärchen und ein Italiener begleiten mich bis zum nächsten Dorf. Kaum Verkehr, interessante Felsformationen, wilde Blumen und Schafe, die mit hässlichen „Tattoos“ über die Strasse springen, als sie uns sehen. Cres ist ein hübsches Fischerdörfchen, das haupsächlich vom Tourismus lebt. Das Pärchen aus Montreal unterrichtet uns Solofahrern, dass die Fähre erst am Freitag, das heisst in 3 Tagen fährt. Für den Italiener, der alles pickfein organisiert hat, wird es zu einem Problem. Bei mir ist es anders, ich bin auf einer Worldtour und habe genügend Zeit und ein Ruhetag kommt mir besonders gelegen. Der liebe Italiener, 61j, pensioniert, lädt mich für zwei Nächte in Cres ein. Beide, er und ich, haben zwei Sachen missverstanden, das mit der Fähre und der Unterschied zwischen Cres und Mali Losinj. Wenn wir vorher gewusst hätten, dass Mali Losinj noch viel schöner und interessanter ist, als Cres, wir hätten lieber zwei Nächte in Mali Losinj verbracht. Ich habe mich geradezu verliebt in dieses Städtchen. Es hat zwar einige mehr Touristen, aber es hat schöne Pärke, Strände, kleine Wege zum Radeln, Supermärkte mit einer grösseren Auswahl etc.

Mit Wehmut verlassen alle Radler diese zwei schönen Inseln. Wir sind nunmehr sieben Radler und ein Wanderer auf der Fähre. Da wir in Zadar erst um Mitternacht ankommen, hat die allein reisende Radlerin für sich und mich den Barman gefragt, ob es möglich wäre auf der Fähre zu übernachten. Da sie schon älter wirkt, willigt der freundliche Barman zögerlich ein. Nachdem alle Passagiere das Schiff verlassen haben und die gesamte Crew informiert worden ist, quartieren wir uns im Salon ein.

Ein Freund von mir empfiehlt mir zwei Pärke in Kroatien zu besuchen. Der National Park Paklenica ist speziel für Kletterer weltweit bekannt und erhält viele Besucher. Da ich meine Kletterfinken zu Hause liegen habe, haut der Park mich nicht wirklich aus den Socken. So mache ich schneller kehrt und düse mit Rückenwind nach Obrovac wo ich gezwungenermassen einen Ruhetag einlegen muss, weil es bei 10 Grad den ganzen Tag regnet. Meine Entscheidung ist wieder mal goldwert, nicht nur weil ich in einer verlassenen Busstation Unterschlupf finde, sondern weil vor mir ein längerer Anstieg auf mich wartet. Wieder bei Sonnenschein erklimme ich den Pass und finde oben ein¨riesiges Plateau vor. Der Unterschied zwischen Küste und Hinterland ist unbeschreiblich. Absolut sehenswert! Fast keine Strassen, nicht viele Autos, arme Bauern, die nur eine Kuh spazieren führen oder eine ganze Herde von Schafen oder Ziegen, das Klima ist rauh, darum hat es ausser Wald nur Büsche oder einzel kleine Bäume. Die Berge im Hintergrund, der Canyon, den ich bezwungen habe macht das Landschaftsbild perfekt. Ich habe richtig Spass durch diese Einöde zu radeln.
Vor dem nächsten Park lerne ich ein liebes Zürcher Pärchen kennen, die mit einem schwangeren Wohnwagen herum reisen. Nein, damit meine ich, ein Wohnwagen namens Concorde. Da hat es aller Schnickschnack drin. Hinten könnte man einen Smart in der Garage mitführen, anstatt einen zweiten Motor garagieren sie ihre Bikes, einen Hodenschüttler (Roller) und Fischerruten. Nach einem netten Pläuderli fahre ich mit dem geschenktem Ticket ohne Probleme in den von meinem Freund empfohlenen Park rein. Bewundernd schaue ich mir den ersten, gleichzeitig grössten Wasserfall im National Park Krka an. Da schon fortgeschrittener Tag herrscht, nehme ich ein Bad im eiskalten Wasser und verstecke mich von den Rangern. Tags darauf bin ich schon um halb sieben im Park, 1.5 Stunden früher als die Türe öffnen, schaue mir die anderen Wasserfälle in aller Ruhe an und esse Brot mit Fleisch als Frühstück und lausche dem Plätschern und dem Quacken der Frösche. Der Park ist sehr eindrücklich und interessant. Wie sich das Wasser den einfachsten Weg findet und dann im tosenden Geplätscher die nächste Rampe hinunter stürzt. Der Fluss Krka ist mit seinen sieben Rauwacken-Wasserfällen ein natürliches Karstphänomen. Rauwacken, von dem Wasser abgelagerter Karst, der sich auf den rauwackenbildenden Pflanzen (Moosen, Algen u.Ä.) ansammelt, bilden verschiedene geomorphologische Formen.

Mit starkem Rückenwind sause ich entlang der Küste. Viele Buchten, Dörfer, Segelschiffe, türkis blaues Meer, der Verkehr könnte von mir aus umgeleitet werden. In Split finde ich einen neuen Schwalbe Marathon Reifen, weil ich meinem Vorderen nicht mehr lange traue. In Omis will ich eigentlich der Küste weiter folgen, doch ein Schild mit einem Canyon Symbol leitet mich um. Ich folge dem Fluss Rijeka Cetina entlang von hohen Felswänden, die mit dutzenden Bohrhacken versehen sind, leider mit Gegenwind, der ängstlich immer stärker wird, je höher ich auf den Pass komme, welcher am Ende des Canyons auf mich wartet. Das Zürcher Pärchen hat mir noch erzählt, dass hier an der Küste ein sogenannter Jugo-Wind sein Unwesen treibt. Ich habe ihn tatsächlich erlebt, denn oben auf dem Pass, drehe ich meine Kurbeln ohne Mühe rundherum, noch besser, der Jugowind schubst mich voran. Plötzlich stehe ich quer auf der Strasse, er kommt von allen Seiten ohne Vorwarnung. Zum Glück kam grad kein Auto, auf der ohnehin ruhigen Landstrasse. Auf dem Pass um die Kurve und ich konnte fast nicht mehr mein Velo halten. Die Gräser berühren mit ihren Spitzen dem Boden! Als Zückerchen ein gigantischer Ausblick auf die Küstenstrasse, die sich an den Bergen hoch schlängelt, bis dort wo ich herunter komme, um dann wieder runter zur Küste zu gehen wo ich ins nächste Städtchen namens Makarska gelange. Ein Städtchen weiter suche ich ein Windgeschützter Platz hinter einer geschlossenen Outdoor Disco. Die Nacht ist so turbulent, wie die traurige Nachricht von meinen Eltern zu Hause, dass meine Grossmutter im Sterbebett liegt.

Dubrovnik will ich auslassen, weil ich keine direkte Strassen zur Stadt hinunter finde. Umwege bereiten mir immer Bauchweh. Plötzlich erspähe ich ein altes Verlassenes Häuschen, vor dem ich mein Zelt aufstellen könnte. Neuer Plan: ich verstecke mein Hab und Gut hinter Büschen, die die Einbahnstrasse schmücken. Laufe die enorm lange Treppe runter zur Altstadt, esse zuerst mal Mittag, besichtige die wunderschöne Altstadt, kaufe für Abend- und Morgenessen ein und klettere über die Treppen wieder rauf. Auf einer Übersichtstafel erkennt man, dass die Stadt Dubrovnik im Jugoslawischen Krieg sehr stark beschädigt worden war . 1989-1991, weitere Einschläge bis 1995. Die tapferen Kroaten wollten keinesfalls die Stadt den Serben und Bosnier hergeben, sie kämpften tapfer bis zu ihrem Tod. Für die Nacht habe ich mir etwas Spezielles ausgedacht, ich besteige Dubrovniks Hausberg, geniesse den Sonnenuntergang bei einer feinen Pizza und schlafe im Zelt bei einer der vielen Kriegsdenkmäler mit schöner Aussicht auf den Ozean und Dubrovnik.

Bosnien Herzegowina

Das Land ist gross, grösser als Kroatien. Doch die Küstenlinie beträgt keine zehn Kilometer, so bin ich in diesem Land nicht länger als fünfundvierzig Minuten. Da sie eine andere Währung haben, kann ich nichts kaufen, aber ich esse einen Apfel und eine ganze Tafel Schokolade.

Montenegro
Die Leute sagen, Montenegro sei schön. Doch es ist wahrlich mehr als das. Nur schon das erste Städtchen Herceg Novi empfängt mich herzlich. Nach nur fünfzig Kilometern suche ich mir das nächste Schlafplätzchen. Ich dachte schon, ich finde hier keines, weil es nicht so viel Waldgebiet oder abgelegene Häuser o.Ä. hat. Doch natürlich finde ich wieder ein geschlossenes Hotel vor. Verstecke mein Rad und besuche die Altstadt mit ihren Burgen. Viele Russinnen machen hier Urlaub, das Meer ist ihnen nicht zu kalt. Da Jungs eine Party veranstalten wo ich vorhatte zu schlafen, niste ich mich auf der Veranda des Hotels in mein Schlafsack ein.

Am nächsten Tag führt es mich zu einer Bay, die ein UNESCO-Weltkulturerbe ist. Die Bucht von Kotor ist eine fast 30 km lange, von hohen und sehr steilen Bergflanken gesäumte, stark gewundene fjordartige Bucht. Eine Traumroute steht unmittelbar bevor, doch dazu nehme ich eine Fähre, die mich an der kürzesten Stelle hinüber fährt. Genussvoll befahre ich die kleine Strasse entlang eines der zwei Seitenarme bis nach Kotor. Kotor ist ein Anfahrtsziel vieler Kreuzfahrtschiffe. Am Ende der Bucht fahre ich eine alte Militärstrasse hoch, wo ich die ganze Bucht, sowie der Teil, den ich gestern befahren habe bis zur Kroatien/Montenegro Grenze überblicken kann. Die Strasse nach Budva gefällt mir keineswegs, viele Sonntagsfahrer, die ihr Auto testen wollen, eine riesen lange Autokolonne hinter schwarzen Limosinen, die den König von Montenegro herum kutschieren. So bin ich froh in Budva an zu kommen, noch erstaunter, als ich ein Weltradler aus Korea schwatzend mit einem Mädchen sehe. Sie lädt uns prompt zu sich nach Hause ein, doch ihre Mutter hat, denken wir, etwas dagegen. Als Ausrede meinen sie, sie hätten am nächsten Tag Besuch und möchten uns daher in ein Hotel verfrachten, das natürlich bezahlt wird, sie hätten gute Freunde, die ihnen aushelfen. Wir haben natürlich nichts dagegen gegen den Tausch in ein sauberes, schönes Hotel zu ziehen, inkl. Frühstücksbuffet.

Wir hauen buchstäblich rein, was wir aufnehmen können. Die Teller stapeln sich auf dem Tisch. Durch purer Zufall sitzen wir zu dritt am Tisch. Natürlich der Koreaner und ich, aber auch der Brite, den ich vor ein paar Tagen in den Bergen angetroffen habe. Er meint, er hätte genug gehabt vom schlechten Wetter und fahre zur Küste runter. Die zwei fahren weiter, ich gönne mir wieder einmal einer der geilsten Gleitschirmflüge meiner gesamten Reise. Per Autostopp fahre ich auf einer langen Passstrasse rauf zum Startplatz, ohne Mühe finde ich ihn. Die Thermik schubst mich mit kräftigen Schüben nach oben, ich jauchze vor Freude. Wer kommt denn da angeradelt? Natürlich der Brite, der wieder in die Berge zieht. Hin und her fliegend johle ich zu ihm runter, lache ihn sozusagen aus. Er hat die Zunge beinahe in den Speichen und ich fliege ihm um die Ohren. Die Aussicht auf das Meer, Berge, Dörfer und Strände ist ausgezeichnet.