Dänemark

Start mit Fahrrad

Route: Bremen – Hamburg – Puttgarden – Lolland (Dänemark) – Insel Mön – Randers – Aalhus – Hirtshals

Kilometer:         798 Km

Höhenmeter:     1300 Hm

Weiterreise mit Fahrrad in Bremen

Nach der Kajak Reise von der Aarequelle bis ins Meer, starte ich meine Weiterreise mit dem Fahrrad. Da Matthias (mein Kajak-Coach) ein Freund hat in Bremen, der eine Segeltuchlehre absolivert, durfte ich bei ihm und seinen anderen vier WG-Studenten wohnen. Ich könnte solange bleiben wie ich möchte, denn Sam’s Zimmer steht leer, weil er in der Schule an der Ostsee ist. Doch nach einer Vorbereitungszeit von einer Woche, kribbelt es in mir und muss los. Es ist eine anstrengende Woche. Alles packen, Velo zusammen stellen, meine neue Website mit einem lieben Freund in der Schweiz per Skype einrichten etc.

Am 30. Mai stehe ich nun auf dem Platz, wo die Bremer Stadt Musikanten ihr Scharmützel spielten. Ich habe ein flaues Gefühl im Magen. Denke, mein Packesel fühlt sich so schwer an, kann ich diese schwere Last durch die engen Gassen lenken? Die ersten Meter habe ich ein bisschen Mühe, muss mich erst daran gewöhnen. Mit meinem GPS finde ich mühelos den Weg aus der Stadt und bin bald auf dem Lande. Es ist alles flach bis Hamburg mit Rückenwind, so nutze ich die Gelegenheit bis an die Elbe zu fahren wo ich mein erstes Nacht-Velo-Lager an einem See finde. Auf dem Weg dahin bin ich zweimal nach Afrika versetzt worden. Einmal als ich Dromedaren auf einer Farm erblicke und das andere Mal, als ich mein Fahrrad im Sand quer durch den Wald stossen muss. Ich habe keine Route gespeichert auf dem GPS, fahre nur den Velowegen, die eingezeichnet sind, nach. Es macht richtig Spass!

Ostsee

Nach Hamburg gehts über ruhige Strassen auf denen es nur so von Rennradler wimmelt, mehr als bei uns. Alle Grüssen freundlich und lächeln, weil sie auch sehen woher ich komme, dank dem Schweizer Fähnchen. Vor Lübeck muss ich in Gottes Namen den Bus durch ein Tunnel nehmen, welcher auf die andere Seite des Flusses führt. Die Ostsee erkennt man einfach an den vielen Wind-geschützten-Sommer-Stühle. Der Wind bläst auch kräftig von Westen her übers Land, an diesem Tag scheint endlich die Sonne. Die Tage zuvor musste ich mehrere Male unter ein Dach flüchten, weil die Regenwolken mich einholten. Da es also Westwind hat und ich gegen Nordost nach Puttgarden fahre, habe ich meistens Rücken oder Seitenwind. Mir tun alle Radler leid, die mir entgegen kommen. Wusstet Ihr, dass die Ostsee der grösste Backwassersee der Welt ist? Der See hat ein geringerer Salzgehalt als die Nordsee, aber doch mehr als Frischwasser, das nennt man backig.

Dänemark

Mit schweren Beinen komme ich nach drei Tagen in Puttgarden an, wo ich die Fähre nach Lolland nehme, einer Insel in Dänemark. Nach sechundvierzig Tagen im Kajak sitzen, habe ich die meiste Muskulatur in den Beinen verloren. Sehr froh bin ich, dass das Land mehrheitlich flach ist. Ich will noch im letzten Dorf einkaufen gehen, da Dänemark teurer sein wird, aber ich finde nur ein riesiger Duty-free Alkohol Shop, welcher im Wasser auf einem riesigen Kahn sich befindet. Die Leute kaufen bis zu eintausend Euro Alkohol ein. Ich verpufferte mein letztes Münz in Süssigkeiten, welches nebst Alkohol sonst in den Regalen vergammelt. Als Abendessen gönne ich mir eine Currywurst, weil ja all meine Taschen leer sind. Mit einem vollen Bauch lass ich mich mit der Fähre nach Dänemark übersetzen. Eine super grosse Fähre, die hunderte von Autos, sehr viele Lastwagen und sogar ein ICE Zug transportieren kann. Ein Wahnsinn!

Der erste Tag in Dänemark begrüsst mich nicht sehr freundlich. Am Morgen regnet es und es herrscht ein sehr starker Südostwind. Also kein Rückenwind mehr, nur noch Seitenwind. Der ist aber so kräftig, dass ich vom Land nicht viel wahr nehme und einfach trampe, damit ich vorwärts, näher zu meinem Ziel wo ich hin will. Es ist dafür flach, einfach nur flach wie ein Stück Papier. Zum Mittagessen stopfe ich mir nur ein paar Muffins in den Mund, da man eh nicht gemütlich sitzen kann. Beim Geld abheben auf der Bank, ratet mir der Bänkler ich solle doch so viel Geld wie möglich in Dänemark ausgeben. Geht es den Dänischen so schlecht?

Insel Mön

Für die einzige Natur-Sehenwürdigkeit in Dänemark nehme ich mehr als zweihundert Kilometer Umweg in Kauf. Ich komme ziemlich abgekämpft und leicht frustriert an einem See an, wo ich ein Nachtlager für zwei Tage suche. Auf den Camping will ich nicht, denn ich fühle mich nicht als Tourist, sondern als Weltenbummler. Direkt am See ist es unmöglich wegen dem Schilf, so finde ich unterhalb vom Golfplatz auf noch gemähter Wiese ein schönes, windgeschütztes Plätzchen. Für die Dusche fülle ich meinen Katadyn Base Camp Pro 10L mit heissem Wasser vom Camping (…) und finde ein gut geeigneter Baum zwischen Golfplatz und Hauptstrasse. Muss also acht geben, dass nicht grad jemand vorbei spaziert. An meinem ersten Ruhetag (nach vier Tage radeln; 400Km) trampe ich per Autostop an die Küste wo sich die berühmten Kalksteinfelsen sich in gähnender Sonne zeigen. Trotz kräftigem Wind geniesse ich diese Felsformationen, mit den bunten Feuersteinen und schlendere dem ganzen Strand entlang. Sitze in den Sand und esse Brot mit Salami und Käse. Als die vielen Touristen runter kommen, flüchte ich auf den über vierhundertfünfzig Stufen die Treppe nach oben auf die Klippen. Meine Beine schmerzen!
Der Umweg hat sich durchaus gelohnt.

Tout Terrain

Zufrieden verlasse ich die Insel Mön über eine Brücke, die mich zur nächsten Insel rüber bringt. Jetzt hab ich keine Seiten- oder Rückenwind mehr, nein jetz hab ich ihn von vorne, manchmal von der Seite. Zusätzlich machen sich starke Schmerzen oberhalb des linken Fusses bemerkbar. Wahrscheinlich hab ich zu fest gezogen und die Sehne zu sehr gedehnt. Für die nicht Radfahrer: Ich habe Klick-Pedalen, somit kann ich mit meinen Bike Schuhen die Pedalen runter drücken sowie auch mit den Fersen hoch ziehen. Das ist viel effizienter und spart an Kraft, als wenn man den ganzen Tag die Pedalen runter drücken muss. Das merke ich enorm, als ich die Bike-Schuhen mit den Sandalen auswechsle, damit ich meine Sehnen für eineinhalb Tagen ausruhen lassen kann.

Mein Tout Terrain Fahrrad macht sich sehr gut. Es läuft ruhig und meckert nicht so viel wie ich (wegen dem Wind). Als Kette habe ich ein Zahnriemen, den ich nie schmieren muss, doch gelegentlich mit Wasser säubern muss, dass er nicht mehr quietscht. Aber das ist normal nach dem Dreck und Sand durch das ich durchgefahren bin. Die Nabenschaltung habe ich vom vorgängigen Velo übernommen. Es ist ein bisschen anders zu schalten, man kann also nicht einfach würgen, denn sonst haben die Zahnräder Mühe, sich ineinander zu finden. Das merkt man schnell, wenn es knorkst. Als erstes Mal verwende ich Scheibenbremsen. Da muss ich mich noch ein wenig einfühlen, wie man sie einstellt, und wartet. Speziell am Tout Terrain Fahrrad ist der integrierte Gepäckträger, so hat man ein Problem weniger, das auseinander fallen könnte. Am besten gefällt mir der Lenkeranschlag. Der verhindert, dass der Lenker nicht ganz herum dreht, wenn man das Fahrrad auf den Ständer stellt, und die gesamte Fracht umfällt. Ich teste mein Gefährt auf vielen Naturstrassen, ja sogar auf einem Bikeweg mit vielen Wurzeln und Steinen. Wie im Sand hat es sich auch hier sehr gut bewährt, also Tout Terrain, jedes Gelände!

Warmshowers

Nach kräftigen Wind Tagen, endlich ein Südwind Tag an dem ich das erste Mal die kurzen Hosen montieren kann. Dennoch trage ich meine Sandalen mit Socken, oh Graus! Mit dem GPS finde ich den kürzesten und schönsten Weg nach Norden, ohne Autos, nur die durch unzählige Farmfelder, die über ganz Dänemark sich erstrecken. Nach einer ruhigen, schönen Strasse schreie ich zu uns:
„War es schön?“ „Ja!“
„Wollt ihr mehr?“ „Ja!! Sicher!“
Die Autofahrer hören ja eh nix, die denken nur: „Was ist denn das für ein Irrer mit einem schwerbeladenen Velo durch die Gegend zu gondeln?“
Auf dem Weg nach Norden sehe ich das erste Mal ein Fernradler. Er kommt aus Schweden und will seine Schwester in Basel besuchen. Weiter gehts dann vermutlich über Marseille nach Ägypten. Er bewundert mich über mein professionelles Aussehen und fragt mich, ob ich auch schon Schmerzen in den Knien habe. Bis jetzt blieb ich verschont, muss aber darauf achten, dass ich nicht übermütig werde.
Die nächste Fähre führt mich zurück aufs Festland nach Aarhus. Weil ein Warmshower Member Fullhous hat, radle ich noch ein Stück weiter und zelte bei einer Hundeschule. Gut versteckt nehme ich eine Dusche und koche etwas feines auf meinem Optimus Polaris Optifuel Kocher.

Der nächste Tag wieder das selbe Spiel. Kräftiger Wind, bisschen Regen und recht goupiert. So nutze ich die Gelegenheit, mit gratis WiFi in einem Mc Donald, eine Warmshower Memberin an zu rufen, ob sie sich bereit erklärt mich auf zu nehmen. Prompt sagt sie zu! So geniesse ich den restlichen Tag und freue mich auf den Abend, denn dort darf ich mich ausgiebig duschen, all meine Kleider waschen, alle Batterien aufladen, inklusiv mich mit Köstlichkeiten, die Karin kocht. Sie wohnt alleine und kann durch persönliche Dinge nicht selber reisen, so nimmt sie die ganze Welt in ihr Haus auf. Warmshowers ist nicht nur für Weltenbummler wie mich gedacht, sondern auch für Radfahrer, die nur ein paar Tagen unterwegs sind. Man kann sich auf warmshowers.org registrieren, sich vorstellen, ob man etwas bieten will, oder ob man auf der Suche ist nach einer „heissen Dusche“. Mit meinem Handy kann ich voraus schauend die Pins anklicken und nach einer Dusche anfragen. Bis jetzt hat es leider nur einmal geklappt, denn sie sind entweder nicht da, haben Fullhouse, sind selber am reisen oder antworten erst gar nicht, was nicht sehr fair ist.

Hirtshals

Noch einmal hundert Kilometer und ich bin am Ende der Kräfte und vom Land. Ich suche mir den direktesten und abseits der Hauptstrasse Weg zur letzten Stadt im Norden von Dänemark. Die Strassen sind nicht kurvig, sodass ich drei verschiedene Winde an den Härchen am Körper spüre. Nach links Gegenwind, geradeaus Seitenwind und nach rechts Rückenwind, was eher selten ist. Eine Frau meint, es gibt nicht schöneres als eine steife Brise im Haar, der Duft des Meeres, das Woogen der Kornfelder und die mit dem Wind wachsenden Bäume. Ich glaub fast, die ist noch nie mit dem Radl gereist ;-)
Ich komme an einer Gedenkstätte vom 2. Weltkrieg vorbei. Die Deutschen besetzten ganz Dänemark, damit sie einen freien Weg haben nach Norwegen. Alle Flugzeug probierten sie ab zu schiessen, die sich dem Land nähern. Eines war von England aus gestartet, um Dänemark zu fotografieren. Vier Mann Besatzung, nur einer konnte sich per Fallschirm retten. Der wurde dann verhaftet und durch fünf verschiedene Gefangenenlager in Europa geschleust. Am Ende des Krieges wurde er von seinen Freunden befreit.

In Hirtshals verstecke ich mich hinter Büschen so gut, dass ich immer wieder mein Zelt suchen muss, wenn ich zurück komme, sei es vom Duschen, vom Berichte schreiben, vom Sightseeing oder vom Einkaufen. Ich könnte hier wochenlang hausen, doch dann müsste ich woanders mein Geschäft verrichten. Ich schaue mir die Gegend an, die vielen Bunkern, die die Deutschen hier gebaut haben. Komischerweise sind die meisten erst im Jahre 1943/44 fertig gebaut worden ein Jahr vor Ende des Weltkrieges. Sie dachten also es gehe noch lange weiter und sie kommen voran. Es ist interessant mal die Bunker von nahem an zu schauen, als immer in den Kriegsfilmen. Am meisten gefällt mir der, der rundherum ein Schlitz hat, so würde man nur die Köpfe und die Gewehre sehen, die aus dem Bunker heraus lugen. Gefährlich würde es werden, wenn einer von unten heran schleicht und ungesehen eine Handgranate ins Innere wirft. Wie im Film! (das ist nicht meine Fantasie, liebe Freunde).

Ich buche die Fähre von Hirtshals, Dänemark nach Kristiansand, Norwegen auf dem Internet. Aber wo drucke ich es aus? Ich mache ein Foto. Nach zwei Ruhetagen bin ich wieder voller Energie und freue mich riesig auf Norwegen!

Euer Stephan