Deutschland

Mit Skis, Mountain-Bike und See-Kajak von der Aarequelle bis ins Meer, 2. Teil

Kayak:
Aarequelle – Bremerhaven:    1380 Kilometer
Höhenmeter:                          von 2670m auf 0m (immer abwärts)
Zeit:                                        ?
Durchschnittsgeschwindikeit: ca. 6km/h
Schnellste Geschwindikeit:   16km/h auf dem Rhein, nach Koblenz (Hochwasser)
Paddelschläge:                      > 800’000

Schwerer Abschied von der Schweiz

Die Tage sind gezählt in der Schweiz. Nach einer weiteren ausgiebigen Ruhepause in Basel, wo ich bei Familie Matthias, mein Kajak-Coach (globepaddler.ch) wohnen durfte,  beginnt der deutsche Teil. Vis-a- vis vom Dreiländereck befindet sich Huningue, wo auch ein Kanu Shop von Matthias stationiert ist. Bis jetzt enttäuschte ich ihn vollends nicht mit meinen Kayak-Kenntnissen. Ich meistere jede Stromschnelle, weiche jedem Schiff aus, weiss wie man in ein Kehrwasser reinpaddelt etc.
Das Abschiednehmen vor meinen Reisen fällt mir normalerweise nicht schwer, doch bei dieser Reise trifft es mich schweren Herzens. Aber meine lieben Eltern und Kollegen erleichtern es mir auch überhaupt nicht. Meine Eltern besuchten mich und bringen den restlichen Kram nach Basel. Matthias, seine Frau und Tamara päppeln mich wieder auf nach meiner ungemütlichen Krankheit und alle anderen Kollegen wünschen mir alles Gute und sind so interessiert an meiner ungewöhnlichen Reise, dass ich die Schweizer Grenze mit einem Heimweh-Bauchgefühl verlasse.
Bald werde ich abgelenkt von einer Schleuse, die den Rhein verzweigt in den Rhein-Kanal und den Alt-Rhein, welcher die Grenze zwischen Frankreich und Deutschland bildet. Natürlich wähle ich den Weg durch die freie Natur. Von der Abzweigung in den Alt-Rhein bis Breisach schlängelt sich der Rhein über 60 Kilometer durch wunderschöne Natur. Die Landschaft kann ich vom niedrigen Kayak nicht gut sehen. Das ist leider ein Nachteil von der ganzen Kayakerei.
Nach ein paar Kilometer kommen die Idsteiner Stromschnellen, nur für Könner laut Kanuführer. Es gibt keine Fahrrinne und da das Umtragen mühsam ist, treidle ich mein Kayak mit meinem mitgebrachten Seil die Stromschnellen runter vorbei an Steinen, Felsen und Bäumen. Das erste Mal kommen meine Goretex Hosen und Füsslinge richtig zum Einsatz. Nach einer gelungenen Arbeit, kommt der Hunger. Ich esse Mittag neben einer Kanadier Gruppe, die einen Kurs absolvieren.

Nordwind

Der Oberrhein zieht sich von Basel bis Mainz. In den früheren Jahren wurde der Oberrhein von Basel bis Strassbourg infolge des Versailler Vertrages ausgebaut als französische Energie- und Wasserstrasse. Bei einer Irrfahrt vor einer Schleuse erfahre ich in der Bedienzentrale, falls eine Schleuse defekt sein sollte, hätte die Schweiz kein Benzin mehr, da das gesamte verabeitete Erdöl von Rotterdam kommt. Da die Franzosen Elektriziät von den Wasserkraftwerken, die sich neben den Schleusen befinden, gewinnen, bieten sie der gesamten Schifffahrt freien Zugang durch all ihre Schleusen.
In Basel habe ich einen fatalen Logistik Fehler begangen. Ich tauschte meinen Daunenschlafsack durch meinen alten Kunstfaserschlafsack aus. Die nächsten sieben Tage herrscht Bise, welche kalte Luft vom Norden in den Süden bläst. Die Nächte sind, wie in der Schweiz klirrend kalt.

Da meine Reiseroute nach Norden führt, muss ich manchmal hart gegen den Wind paddeln. Es fällt mir daher nicht schwer, wenige Kilometer nach Breisach an einem idyllischen Plätzchen mein Zelt auf zu stellen, auch wenn ich meine geplante Strecke nicht geschafft habe.
Nach Breisach fliesst der Alt-Rhein in den Rheinkanal, fertig mit der Ruhe, doch viele Frachtschiffe hat es hier oberhalb von Strassbourg noch nicht. Dafür ist der Fluss bis Ifezheim kanalisiert, rechts und links bauten sie früher Dämme, sodass es nicht mehr so viele Überschwemmungen gibt.
Vor Kehl befindet sich ein sechs Kilometer langer Stausee, genug lang um mich ein zu wärmen. Kurz nach der Schleuse erblicke ich Polizei und Feuerwehr, wie sie das Ufer absuchen. Eine Wasserleiche? Ich jedenfalls, komme ohne Schaden in Kehl an. Entdecke einen Aussichtsturm, welcher grad bestiegen werden muss, denn da oben kann man das ganze Land betrachten. Das ist wie in den Bergen. Letztes Jahr bestieg ich mit Freunden den Mont Blanc mit Skis, da oben fühlt man sich so frei und man kann über alle anderen Gipfeln blicken, da er der zweithöchste Gipfel von Europa ist.
Ich geniesse nach Tagen wieder mal das Stadtleben, die Düfte einatmen und die doofen Menschen anschauen.

Frühzeitige Aufgabe?

Nach einem weiteren Stauwehr in Gambsheim trage ich das Kayak in ein Seitengraben, welcher nur etwa drei Meter breit ist. Nebendran verläuft eine Strasse, aber ohne Schiffe ist man weniger gestört. Nach einer Kurve sehe ich den weiteren Flussverlauf nicht mehr, daher schaue ich in mein Flussführer. Als ich aufblicke kommt eine Wiesenwanda auf mich zu. Wohin führt es mich durch? Auweia, ein dunkler Tunnel. Ich sehe nur ein fernes, kleines Licht. Dahin steuere ich. Unheimlich in so einem Tunnel und dann noch auf Wasser.

Die Nacht verbringe ich an einem ruhigen Örtchen mit einer grossen Wiese mit Feuerstelle. Schnell ein wenig Holz sammeln und schon brutzelt ein saftiger Cervelat in den Flammen.
Seit langem habe ich mich auf das letzte Wehr bei Ifezheim gefreut, denn von da herrscht freie Fahrt. Die vielen Frachtschiffe machen mir aber Sorgen und plötzlich rauscht es vor mir bekanntlich. Hätte nie gedacht, dass auch ruhige Grossflüsse manchmal wieder zu Wildflüssen werden. Weiter vorne sehe ich warum, Steinlinien, sogenannte Kippen verlaufen vom Ufer bis zur Schifffahrtslinie. Da will ich nicht durchfahren, so muss ich in die Schifffahrtslinie und um die rote Markierungstonne fahren, was für mich Kajaker eigentlich untersagt ist, um dann schnellstens nach dem Hindernis wieder auf die sichere rechte Seite zu manövrieren. Zu diesem Zeitpunkt habe ich einfach genug! Ein Frachtschiff nach dem anderen, Stromschnellen, Hindernisse, alles gefährliche Hürden. Ich paddle ans Ufer und atme erst mal richtig tief durch. Es kann doch nicht sein, dass ich hier bei Kilometer 283 schon aufgebe? Nach einer Schweizer-Schoggi- und einer Capri-Sonne-Pause probiere ich es nochmals. Siehe da, ich lass mich seelenruhig mit der rassigen Strömung treiben.
Nach einer weiteren langen Etappe fröhne ich meinen Muskeln einen Ruhetag in Speyer. Hier befindet sich der älteste Kirchenbau der Welt.

Schiffsverkehr

Nach Speyer glotzt man auf viele Industriehäfen. Die Frachtschiffe legen an und werden beladen oder betankt, wie zum Beispiel die Tankschiffe von der Schweiz. Mein Lieblingsschiff ist das Tankschiff Piz Palü.

Wegen den Häfen direkt am Rhein, also keine Buchten wo die Schiffe reinfahren können, bauten sie Spindwände. Diese verursachen verschiedene Wellenarten, die ich noch nie erlebte oder kannte. Ich nannte sie: Geh-zurück-Welle, Doppel-Welle, Kreuzwelle. Die Kreuzwellen sind am meisten zu befürchten, denn die kommen gleichzeitig von links und rechts, da wird man so richtig durch geschüttelt im Kajak.
Es gibt Zeiten, da kommen fünf oder mehr riesige Schiffe beladen mit Lastwagen, Autos, Kies, Schrott oder Treibstoff, und tuckern an mir vorbei. Da muss ich höllisch aufpassen und immer in Alarmbereitschaft sein, denn die Kapitäne fahren dahin wo sie wollen. Es kann also sein, dass ein links, bergwärts fahrendes Schiff plötzlich nach rechts abdreht, nur weil sich dort die bessere Strömung oder eben keine befindet. Ich kann das im voraus nicht wissen, da ich kein Funk habe. Auch muss ich immer im Klaren sein, dass die talwärts fahrenden Schiffe viel schneller sind als die bergwärts fahrenden und die kommen direkt von hinten neben mich, da ich rechts paddle wie die Tal-Schiffe. Nicht desto trotz, gibt es auch schöne Zeiten, da ist der Rhein ein stiller Fluss. Bei Pausen liege ich nach hinten und gucke die Gegend an, immer mit einem wachenden Auge, wie ein Hund mit einem Öhrchen.

Schönster Abschnitt des Rheins

Nun kommt endlich der Abschnitt auf den ich mich seit Beginn der Reise freue. Der schönste Teil vom ganzen Rhein einschliesslich Schweiz ist zwischen Rüdesheim (Mainz) und Köln. In Rüdesheim, ein hübsches Dörfchen, springe ich zum Niederwald-Denkmal hinauf. Ein Deutscher meint zu seiner Frau: „Der ist bestimmt ein Schweizer, so schnell er den Berg hoch läuft!“ Das Denkmal errinnert an den Krieg gegen Frankreich im Jahre 1870/71, den sie gewonnen haben. Danach wurde das Land zu einem vereinten Deutschland.
Das Tal wird immer enger, ich konsultiere fortlaufend meinen Führer wo ich aufpassen muss. Es hat viele rot/grüne Tonnen, Schiffe, Sandbänke, Kippen und Wirbeln.
Bei der Lorely beträgt die schmalste Stelle der Frachtschifffahrt auf dem Rhein nur hundertfünfzig Metern. Und genau da kommt eines der grössten Schiffe, das ich kreuzen müsste, aber vorsichtshalber paddle ich in ein Kehrwasser und warte ab, indem ich das Schauspiel der Manövrierung bildlich festhalte.
Der zweite Gipfel an diesem Tag ist nach ein paar hundert Stufen auch geschafft. Der Blick vom Lorely Aussichtspunkt ins Tal ist phänomenal! Es scheint, man schwebe direkt über dem Rhein, dennoch verfehlt mein Stein das Wasser.
In Koblenz geniesse ich zwei Ruhetage bei den Eltern meiner Kollegin, die zwar nicht abwesend ist, aber beschäftigt ist mit ihrer Geburtstagsparty. Da gehen wir doch gern hin! Kuchen mit Weisswein muss man probiert haben. Auch das Lammfleisch sowie die Lammwurst ist ausnahmslos ertragend. Normalerweise schmeckt mir diese Art von Fleisch nicht, eventuell liegt das an der Kochkunst der lieben Mama. Ich konnte da endlich wieder mal duschen, Kleider waschen und mich richtig gut erholen. Letzter Waschtag war in Basel.

Hochwasser und Sturm

Der Hafenwärter, der mein Boot hütet wie sein Augapfel meinte vor zwei Tagen, dass das viele Wasser von der Schweiz bis hierher schon längst verflossen sei. Denkste! Der Wasserspiegel stieg um mehr als 1.5 Metern an. Ich bemerke es erst als sich viel Holz um mein Kajak schlingert und die Kilometer Marken fast nicht mehr sehen konnte. Ein Vorteil ist, dass das Wasser umso schneller fliesst. An dem Tag nach Koblenz stelle ich ein Rekord auf von sagenhaften neunundsechzig Kilometern! Ich muss immer wieder an die Weinkönigin zurück denken, die mir viel Glück wünschte, so kann ja nichts schief gehen. Wahrscheinlich hat sie auch ihre Hände im Spiel bei meiner Fast-Kenterung, als ich mein Regenschirm aufspannte, um mich in der Pause treiben zu lassen. Eine Windböe erfasst den schon lädierten Schirm und drückt ihn hastig ins Wasser.
Vor Köln habe ich einmal mehr die Schnauze voll von den grossen Schiffen. Wegen den Kippen bilden sich gefährlich hohe Kreuzwellen. Augen zu und durch, das Wasser spritzt bis über den Kopf. Dafür gönne ich mir nach diesen Horror Szenarien einen traumhaften Ausblick auf dem imposanten Kölner Dom und schon hab ich das Theater da unten auf dem Fluss vergessen. Kalt läuft es mir den Rücken runter, als ich wieder ein Meilenstein erreicht habe. Auf meinen Arbeitseinsätzen fuhr ich nur immer mit dem Service Auto an Köln vorbei.
Wenig später zurück auf dem Fluss flüchte ich aufs Land wegen Sturmböen, so kann ich grad zugucken bei einem Set einer neuen Krimi Serie namens Einstein.
Am nächsten Tag wieder das gleiche Spiel. Am Morgen feiner Rückenwind, dann um die Mittagszeit dreht  er auf Sturm. Mein schweres Kajak liegt auf einer Ruderplattform, während ich eine feine Pizza Margherita verschlinge. Spaziere zurück…. Ach, du heiliger Strohsack!
Mein an mir ans Herz gewachsenes Schiffchen liegt halb im Wasser, halb auf der Plattform. Kaum zu glauben, dass der Wind ein sechzig Kilogramm schweres Kajak ins Wasser bugsieren kann. Mein Paddel verhederte glücklicherweise hundertfünfzig Metern weiter unten in der Böschung.

Schiff-Kanäle

Mit meiner Glücklichkeit mein Boot weiterhin unter meinem Po zu spüren paddle ich weiter. An meiner rechten Seite zieht Düsseldorf, beschienen von der untergehenden Sonne, vorbei. Vor Duisburg, wo ich dann endlich den Rhein verlassen darf, nochmals das volle Programm. Wellen, Schiffe, die rücksichtslos nahe an mir vorbei tuckern, Wind, Regen, manchmal bin ich auf einem riesigen Ozean versetzt. Ist es auf den Kanälen auch so ruppig?
Zuerst muss ich mal eine grässliche Schleuse vom Hafenkanal in den Rhein-Herne Kanal überwinden. Es gibt nirgends eine geeignete Ausstiegsmöglichkeit, nur eine steile Treppe. In letzter Sekunde kommt ein Fischer mir zur Hilfe, ansonsten wäre das Boot wieder die Treppe runter geflitzt. Solche Strapazen ergeben ausserordentlich grossen Hunger, so esse ich frisches Brot mit delikatessem Brotaufstrich, Käse und Gurke.
Entlang des Kanals nur noch Industrie bis Datteln, wo ein neues, still gelegtes Kohlekraftwerk vor sich hin rostet. Milliarden von Euro gehen da verloren! Beim letztgenannten Dorf gebe ich meine einzigen Euros für ein Nachtlager auf meiner Kajak Reise aus. Campingpläte hat es viele entlang meiner Reiseroute, aber nicht da wo meine Tagesetappen aufhören. Hostels gibt es kaum welche.
Kurz nach Datteln gleite ich in den Dortmund-Ems Kanal. Die nächsten Tage verfolge ich den Kanal Richtung Nord/Nordost, da kann mir der starke Westwind schnuppe sein. Hin und wieder halte ich an, um mich um zu sehen wie denn auch die Landschaft aussehen mag. Mein Morgen-Ritual besteht aus dem Wegkicken von Nacktschnecken, die mein Zelt belagern. Die Schnecken, die aussen herum schleimen, schnippe ich von innen an das Aussenzelt mit zwei Fingern und die zwischen Aussen- Innenzelt herum kleckern schabe ich mit einem abgebrochenen Ästchen zurück auf die Wiese.
An dem Tag an dem ich Münster passiere, soll es bis zu siebenundzwanzig Grad warm werden. Der Plan ist also am Morgen früh los, damit ich nicht in der sengenden Hitze über Mittag paddeln muss. Aber nein, ein pensioniertes Schweizer Pärchen durchkreuzt mein Vorhaben. Da ankert ein altes gelbes Frachtschiff mit einer Schweizer Fahne. Ich paddle näher ran und rief mal ein „Grüezi, sinder dehei?“ Völlig verschlafen guckt die Frau aus dem Guckloch und freut sich gleichzeitig auf Heim-Besuch. Ich freue mich auch, als ich ein zweites Frühstück bekomme.

Fluss: Ems

Nun habe ich aber genug Kanal gesehen. Keine Strömung, lange gerade Strecken und viele Gassi-Geher. Man meint, jeder Deutsche besitzt ein Hund. Sie verhalten sich schweinisch, weil sie den Kot nicht zusammen nehmen. Der Dortmund-Ems Kanal führt über eine Wasserbrücke über die Ems, so muss ich das Kajak auf mein Wägelchen hieven und den Weg runter rösten. Der Einstieg ist schon mal schlammig und voll mit Brennesseln. Doch nach ein paar hundert Meter stiess ich ein Jauchzer aus. Kein Mensch, keine Kläffer, keine Schiffe, und es hat eine leichte Strömung und viel Natur. Einziger Nachteil: sehr hohe Ufer. Am Anfang ist mir dies egal. Erst als ich nach einem Nachtlager Ausschau halte wird es schwierig ein geeignetes Plätzchen zu finden. Ich sehe viele Tiere, die am Ufer grasen oder trinken. Rehe, ein Fuchs, sehr viele Hasen, Biber und ein Eisvogel, der vom Aussterben bedroht scheint.
Die Ems schlängelt sich mit endlosen Kurven durchs weite Land. Ohne Kilometer Markierungen, weiss man nie wo man genau ist. Vor der Mündung zurück in den Dortmund-Ems-Kanal hat es viele Ferienhäuschen.

Das Ende in Sicht
Langsam werde ich müde vom ewigen paddeln. Es ist sehr hart pro Tag mehr als dreissig Kilometer zu paddeln. Mein Nacken ist völlig verkrampft und der Rücken versteift. Am Morgen brauch ich eine gewisse Zeit bis ich eingepaddelt bin und über den Mittag brauche ich hie und da ein Mittagsschläfchen. Die Ruhetage nützen meinen schmerzenden Armen kaum etwas, im Gegenteil, es unterbricht den Rhythmus. Ich träume vom radeln, wie einfach und schneller man vorwärts kommt. Vor Oldenburg muss ich mich zwei Tage auf dem langweiligsten Kanal, den Küstenkanal, durch schlagen. Bis zu zehn Kilometern nur geradeaus! Ich fange an Paddelschläge zu zählen, von schönen Frauen zu träumen, oder von einem thermischen Gleitschirm Flug schwärmen.
Die letzten Kilometern vor Oldenburg muss ich auf die Zähne beissen. Ich bin fix und fertig, kann kaum noch meine Armen im Kreise bewegen.
Was für eine Wohltat, heisses Wasser auf dem ausgelaugten Körper zu spüren, frische Kleider an zu ziehen und eine leckere Hühnersuppe zu essen. Der Chef von der Oldenburg Kanustation, zeigt mir wo ich mein Zelt aufstellen kann, wo die sanitären Anlagen sind und lädt mich zu sich nach Hause ein. Seine Frau sei soeben fertig mit dem Kochen. Sie rät ihm nur flüssiges zu sich zu nehmen, da er einen Besuch beim Zahnarzt am Morgen abstattete. Zum Nachtisch Grütze mit Griessbrei aus der Tetra Pack. Hei lecker!!
Oldenburg ist aber nicht Bremerhaven, mein Endziel. Bis dahin geht es nochmals zwei Tage, die ich aber feiernd erpaddle. Besonders der Tag von Oldenburg nach Harrier Sand, eine Insel in der Weser ist sehr lohnenswert. Wegen den Gezeiten muss ich schon um fünf Uhr aus den Federn und um sechs im Wasser sein. Der Stationschef ist auch schon auf den Beinen und gibt mir noch köstliche belegte Brötchen mit. Seiner Frau wird eine Box in der Küche fehlen…
Vom Küstenkanal in die Hunte umtrage ich meine super Yacht das aller letzte Mal. Das Wasser in der Hunte ist um diese Zeit auf maximum Höhe. Die Sonne steht nicht weit über dem Wasser und reflektiert sehr stark das Wasser, sodass ich fast ein Frachtschiff beim Manövrieren übersehe.
Am Anfang fliesst es noch nicht, doch mit der Zeit setzt sich Ebbe ein und fliesst immer schneller, sodass die Kilometern schnell dahin schmelzen. Endlich wieder mal Fliesswasser. Die Gegend ist super flach, es hat viele Schafe. Nach einer Schwenkbrücke endet die Hunte und geht in die Weser über. Ein völlig anderer Fluss, sehr viel breiter, bis zu drei Kilometern. Grosse Schiffshäfen. Ozean Schiffe. Frachtschiffe. Weil das Wasser wegen der Ebbe fünf Meter weiter unten ist, schleppe ich mein schweres Boot durch knöcheltiefen Moratsch ans Ufer. Das letzte Camp ist wunderschön gelegen. Ruhig, nebendran ein grosser Hafen mit den Europa grössten Silos und hinter mir grass fressende Kühe. Nach einem Insel Spaziergang koche ich mein Ankunftsfestessen.

Geschafft? Geschafft!

Am letzten Tag nochmals und das aller letzte Mal das volle Program. Ein stürmischer Westwind dreht mein Kajak immer wieder nach rechts. Fluchend paddle ich nur mit dem rechten Arm oder paddle in Seitenlage. Ich denke es ist der kälteste Tag auf der ganzen Reise, weil es nicht nur am Morgen kalt ist, sondern den ganzen Weg bis zum Ziel. Beim Batterien Wechseln kann ich fast nicht mit meinen Fingern das Gehäuse der GoPro Kamera öffnen. Hei Stephan, nur noch dreizehn Kilometern, nur noch zwölf, nur noch elf…  und dann sehe ich die Skyline von Bremerhaven und gleichzeitig der weite Ozean, da läuft es mir eisig kalt über den Rücken. Ich habe es tatsächlich geschafft!

Nach sechsundvierzig Tagen, eintausenddreihundertachtzig Kilometern und über achthunderttausend Paddelschlägen komme ich in Bremerhaven an!

Nachwort zu meiner Kajak Reise

Wegen meiner grossen und ungewöhnlicher Reise begann ich letztes Jahr (2014) mit dem Kajaken an. Eigentlich wollte ich von der Schweiz bis ans Nordkap paddeln, aber nach einer Trainings-Einheit von vierzehn Tagen in Schweden, sah ich es ein, dass es unmöglich ist ohne ein hightech Kajak, ohne für das Projekt geeignete Sponsoren und ohne ein spezifisches Training diese Strecke zu bewältigen. So entschied ich mich auf eine Teilstrecke von der bisherigen Idee. Aber auch die Strecke von der Aarequelle bis zum Meer zweifelte ich an, als schon nach dem Fluss-Kurs meinen linken Arm sich schmerzlich bemerkbar machte. Ich probierte es trotzdem, salbelte den Arm immer wieder ein und klebte Magnet Pflaster drauf (sehr heilend). Auf der Reise tat einmal der linke , einmal der rechte Arm weh und dies und jenes, aber das ist ja normal bei Extrem Sportarten :-)
Dann vor Basel diese Horror Geschichte vom zermalmenden Kajaker in einer Schiffsturbine, gab mir fast den Rest. Ich hatte überhaupt keine Erfahrung auf grösseren Flüssen, mit herum wedelnden Frachtschiffen, aber die gefährlichsten Schiffe, das waren die Fähren. Bei einer Fähre fluchte ich mit erhobendem Mittelfinger. Der Matrose meinte nur, ich habe hier nichts verloren!
Ich habe zwar das Kentern und wieder ins Boot steigen geübt (2x auf offener See), aber sonst hatte ich keinerlei Erfahrung mit dieser neuen Sportart. So beschlich mich immer wieder ein flaues Gefühl der Nutzlosigkeit vor einer kommenden Stromschnelle.

Schlussendlich verlief alles glimpflich und reibungslos. Ich bin recht glücklich, diesen ersten Teil geschafft zu haben und bin um eine Erfahrung reicher.