Estland, Lettland, Litauen
Fahrrad Kilometer: 1276 Km
Estland
Wegen der Hochsaison flitze ich mit der überteuerten Fähre von Helsinki nach Tallinn, der erste Ort in Estland, gleichzeitig die Hauptstadt. Ich knipse nur schnell die obligatorischen Sehenswürdigkeiten und fliehe von den tausenden Touristen. Im Hafen ankern etwa fünf Kreuzfahrtschiffe! Nein, ich bin kein Kulturmuffel, aber diese schöne Stadt habe ich schon mal gesehen bei einem Service Einsatz. Bei -30° musste ich diverse Druck-Maschinen umziehen. Wiederum Dank meines GPS finde ich den Weg sehr einfach raus aus der Stadt, dann auf eine vierspurige Schnellspur, alles schnurgeradeaus und flach wie ein Stückk Papier. Als ich die Hauptstrasse verlasse, nur noch Schotter. Naturstrasse ist ja ein Fremdwort für die Baltischen Ländern. Es gibt verschiedene Arten von unasphaltierten Strassen, wie Schotter, Sand, tiefer Sand, harter Lehm, weicher Lehm, und auch so schlimm wie tiefer Sand, grobe Kieselsteine. Da ist es unmöglich die Gegend an zu gucken, sonst landet man im Graben. Als wenn man nicht genug hat von diesem Geschüttel, wird man von den vorbei fahrenden Autos eingestaubt. Sehen tue ich aber nur selten eins.
Der Reisekoller hält an. Seit ich dieses Problem mit dem Hinterrad hatte, fühle ich mich zugewürfelt. Dann kommen die Baltischen Staaten, welche einfach zu flach sind für mein Gemüt, darüber hinaus kommen die nicht endenden Wälder. Ich überlege mir, was das nächste Problem sein wird an meinem störrischen Esel. Vielleicht das Tretlager? Nein, unerwartet das Steuerrohr. Lust nach einem Veloshop Ausschau zu halten habe ich nicht. Nicht desto trotz schalte ich von Plan B auf Plan A meiner Reise. Verraten tue ich hier nichts. Ihr werdet es wahrscheinlich bemerken an meiner Routenführung.
Ich treffe den Adrian Pfiffner aus Luzern an. Er fuhr von zu Hause aus zum Nordkapp und weiter nach Neuseeland wo er eine Arbeit sucht als Elektro Ingenieur. Durch das viele Quatschen auf unserer gemütlichen Fahrt über das weitläufige Land, vergesse ich meinen Koller. Wir campen wild, fotografieren den schönen Sonnenuntergang, ich zeig ihm wie man richtig gut kocht (ja sogar mit Käse). Er meint, ich sei recht luxuriös unterwegs. Adrian, für das Abendessen muss man geduscht und frisch sein! Wer weiss, wer noch alles an meinem Zelt vorbei läuft…
Lettland
Ich führe Adrian Pfiffner in das Warmshower Spektakel ein. Das nächste erwartet uns in Riga. Da Adrian als unangemeldete Person erscheint, gibt es Chaos. Die Frau von der kleinen Familie ruft ihrer Schwester an und so müssen wir das zweite Mal durch die riesige Stadt radeln, angeführt von ihrem Ehemann mit seinem Transport-Velo, der Kleine sitzt vorne angeschnallt im „Gepäckraum“. Die Schwester kocht uns ein Mahl, mit frischen, selbst geplückten Pilzen. Am nächsten Tag gucken wir Riga an. Mein Vielfrass Kumpel hat aber mehr Interesse an „all-you-can-eat“-Restaurants. So steuern wir eins an um unsere Bäuche voll zu stopfen. Nach mehreren Tellern (fr)isst er noch 4 Hamburgern. Bei 190cm Körpergrösse ist es kein Wunder! Nach drei Stunden kugeln wir auf den Bürgersteig und glotzen schon wieder gierig auf die nächsten Eiscrème Plakaten. Gegen Abend treffen wir uns mit einer speziell gebuchten Stadt-Führerin, der hübschen Parsla. Die charmante Frau haben wir beim Beeren-Stehlen etwa sechzig Kilometer vor Riga, kennen gelernt. Da besuchten wir ein Dorffest. Vor der Flirterei machen wir uns mit einem Schweizer bekannt, der mit seiner Familie in Lettland seine Ferien verbringt. Er hat sein Stadiönli für zwei Monate dicht gemacht und geniesst sein Leben. Während er uns für einen leckeren Snack einlädt, spaziert ein alte Dame mit ihrem Hündchen vorbei und meint beiläufig, sie möge die Russen nicht, weil die ihre ganze Familie nach dem 2. Weltkrieg ausgelöscht hat. Die Baltischen Länder werden zu 80% von den Russen kontrolliert.
Nach Riga besuchen wir drei Burgen/Schlösser, welche im Umkreis von Pilsrundale liegen. Das letztere genannte Schloss steht dem Versailler Schloss in Paris ähnlich. Da wir es gemütlich nehmen wollen, logieren wir in einem günstigen Hostel. Von da aus ist es ein Katzensprung zum Tor des eindrücklichen Schlosses. Zuerst besichtigen wir das Innere, dann den riesigen Garten. Am Nachmittag verbringen wir den Tag mit Berichte schreiben und Fotos austauschen.
Littauen
Unbemerkt überqueren wir, wie auch schon die lettauische Grenze, Litauen. Die drei Baltischen Staaten sind überhaupt nicht davon zu unterscheiden. Die Währung ist Euro, die Läden sind gleich, die Leute nicht unterscheidbar und die Strassen sind stets runzlig. In Jatainai zelten wir mit einem anderen Radler Pärchen an einem schönen See. Baden, kochen und Reise Geschichten erzählen. Adrian entfacht ein stinkiges Feuer und brätelt seine Würste. Am nächsten Tag wieder mal der unerträgliche Abschied, wir sind doch fünf Tage zusammen gereist, so kennen wir uns ein bisschen mehr, als nur von einem Schwatz. Ich steuere Vilnius an, ein weiteres Prachtschloss, das auf einer Insel gebaut worden ist. Es war ein Residenzhaus des polnisch-littauisch Herschers. Drinnen sind kostbare Waren ausgestellt unter anderem auch berühmte Münzen. Nach dieser Besichtigung steht der Mitteleuropäische Punkt auf meinem Programm. Ich folge meinem neuen Samsung 4 zuerst auf Asphalt Strassen, dann wie geahnt wechselt es auf Naturstrasse. Doch dann kam ein Feldweg, dann ein Trail und zum Schluss durch mannshohes Gras. Ohne GPS hätte ich mich endlos verfahren.
Nach dem Lunch an diesem versteckten Punkt, gehts bald auf die A4. Eine Katastrophale Strasse mit vielen viel zu schnell fahrenden Autos. Die Warnung meiner Mutter und der Frau am Nordkapp, es herrsche Todesgefahr auf den littauischen Strassen, lösen sich in Luft auf. Mich überholen die Autos und Lastwagen immer in korrekter Weise. Dass es mal erwähnt ist: die Schweizer, Holländer und Deutschen können ein Stück Brot von den übrigen Ländern in Nord- und Ost-Europa abschneiden. Ausser diesen drei Ländern fahren alle sehr oder meistens korrekt. Wenn einer nahe vorbei fährt oder den Vortritt nicht gewährt, ist es ein Tourist, meistens aus Deutschland oder Holland. Müde komme ich in einem Dörfchen an, wo es nicht einmal ein Supermarkt gibt. So kaufe ich ein Kebab. Finde ein schönes Camp an einem Fluss, hätte sogar eine Feuerstelle für Adrian Pfiffner. Erfrischendes Bad, Stretching, und Kebab mampfen. Anschliessen frische Himbeeren pflücken für das Frühstücksmüesli. Schaue mir noch die stotternden Bremsen an. Kann das sein, dass die Fächerscheibe vom Steuerrohr ins Rohr gefallen ist? Mich wundert nix mehr bei Tout Terrain = Schrott