Finnland
Geschichte über die nicht gewollte Reparatur
Sauvo
Nach vielen Reisestunden, müde und nieder geschlagen, komme ich bei der Bikestation in Sauvo, Finnland an. Doch bald verfliegt sich das ganze, weil ich herzlich von der Familie Ullmann empfangen wurde. Ich darf solange in ihrem Haus wohnen und essen bis der Techniker das Rad neu eingespeicht hat. Das Haus ist riesig. Das Gebäude war im 19. Jahrhundert ein Stall, im 20. Jahrhundert ein Schlachthof und ab den 1980ern ein Restaurant. Im vergangenen Jahrzehnt wurde es zu einem großen Wohnhaus umgebaut und heute ist es die Bikestation. Die Bikestation befindet sich unmittelbar in der Stube. Es ist schwierig zu übersehen, dass sein Schwerpunkt auf die beste Nabenschaltung der Welt liegt. Überall liegen Felgen, Veloleibchen, Nachfüll Flaschen für die Nabenschaltung und natürlich ein Veloständer wo er die Fahrräder gut reparieren kann. Er hat sich spezialisiert in den Laufradbau. Es wird vermutlich keine andere Firma im Norden Europas geben, die so ausgestattet ist und sich auch die Zeit für den anständigen Laufradbau nimmt. Spezialisiert hat er sich auf Qualität. Anders als die abgedroschenen Slogans, spricht er wirklich von Qualität und nicht dem Pseudonormalen. Er arbeitet immer so, als ob er das endgültige Produkt auch selber „in die Mangel“ nehmen will. Während er mein Hinterrad schon mal entspeicht, wäge ich die Vor- und Nachteile eines Nabendynamo und dem Solarpanel ab. Siehe vorgängiger Bericht. Ich komme zu dem Schluss, dass ein Dynamo am geeignesten ist. In diesem Jahr scheint die Sonne sowieso kaum…
Seine liebe, hübsche Frau bekocht uns göttlich. Ich schlemme vier Tage lang. Mein Bauch ist vierundzwanzig Stunden voll. Der Chef vom Haus riecht es an meinen Koffern gegen den Schluss meiner Abreise. Zwischendurch spiele ich mit seinen Söhnen Lego oder „Autöli“. Als seine Frau einen Tag weg musste und der Techniker kein Sinn hat für Kochtöpfe, koche ich zwei herrliche Schweizer Menüs. Die Kinder flehen mich an, länger zu bleiben. Endlich mal mehr Salz in der Suppe :-)
Am 3. Tag besucht uns die Mutter seiner Frau und am frühen Abend erschien ein weiterer Radler. Ein Freund aus Helsinki. Er ist die Strecke mit seinem Velo gefahren. Die Grossmutter der Kinder bringt viel Kuchen und Gebäck mit. Mit vollem Bauch gehen die Männer in die finnische Sauna. Das ist viel anders als zu Hause. Da trinkt man Bier während man schwitzt, man lacht und erzählt Witze anstatt ruhig auf dem Rücken zu liegen und man beklopft sich gegenseitig mit einem Büschel Birke die Sünde vom Leib. Nach dem Duschen gibt es feinen Lachs.
Vor lauter Bericht schreiben und philosophieren mit dem Techniker habe ich fast keine Zeit, die Gegend von Sauvo zu erkunden. Ich teste mein Fahrrad indem ich zu einer Mühle fahre. Wenig später ist die Strasse zu Ende und ich schweife mit meinen Augen den Horizont ab. Was da in Finnland abgeht, habe ich noch nie erlebt. Ich lausche mit meinen frisch gewaschenen Ohren, ob ich was höre. Doch da war nichts! Ich mache in den Ohren einen Druckausgleich, da ich dachte der niedrige Luftdruck presst sich an meinen Gehörmuscheln. Immer noch nichts! Ich höre kein Wind, keine Vögel, kein Bach, keine entfernte Strasse einfach rein gar nichts. Unglaublich, aber wahr. Über viele Singletrails gehts zurück zur Bikestation.
Helsinki
Nach so viel Gastfreundschaft und feinem Essen fallen mir die Abschiede immer sehr schwer. Bedrückt trete ich die Weiterreise Richtung Helsinki an. Doch sobald ich das Rauschen der Räder auf dem Asphalt höre beflügelt es mich die Welt weiter zu entdecken. Auf Nebenstrassen und Rückenwind schwebe ich leicht dahin. Ein Elch schwimmt von einer Insel zum Ufer, ein weiter Weg. Zu mir wäre es kürzer gewesen, da wo ich in der Sonne liegend mein Feierabend-Buch lese bevor ich ohne Mückenstich ins Zelt kroch.
Helsinki empfängt mich nicht so wie ich es mir vor gestellt habe. Als ich weiter um die Stadt radle entpuppt sich die Stadt doch noch zu einer Schöhnheit. Nur die vielen Touristen trüben das Bild. Ich habe Glück und kann der Welt-Gymnastrada beiwohnen. Zweiundzwanzigtausend Turnerinnen und Turner zeigen eine imposante Show nach der anderen. Darunter sind viertausend Schweizer anwesend, exklusive den Fans. Man sieht überall Schweizer-Käppchen, Schweizer Leibchen oder Schweizer Turnhosen.
Bei einem weiteren Warmshower-Member niste ich mich für zwei Nächte ein. Ein junger, allein stehender Mann, der in einer 2-Zi-Whg wohnt. Ich sei der erste Warmshower Gast, so schüttle ich die gesamte Höflichkeit aus meinen Ärmel und habe auch wieder ein CHer Menü gekocht, als er von seiner Arbeit nach Hause kommt. Er zeigt mir seine Lieblingsplätze rund um die Stadt, trinken ein Zitronenbier am Strand und lauschen einer Gruppe von Musikern, die ihr Bestes von sich geben.
Die Wirtschaft von Finnland sieht nicht rosig aus, gerade haben mehr als tausend Leute ihre Arbeit aufgeben müssen, weil Microsoft ihre Produktion ins Ausland verlegen will. Dort wo der Firmensitz liegt, ist nun das halbe Dorf arbeitslos. Auch Nokia entlässt einige tausend seiner Mitarbeiter. Gleichzeitig bekommen finnische Männer/Reservisten eine Einladung zum Kreiswehrersatzamt, um ihre Daten auf Aktualität zu prüfen wegen ihrem gefürchteten Nachbarland Russland. Die Finnen, man sieht es ihnen an, haben Angst vor einem Übergriff aus Russland. Aus diesem Grund hat sich der Rohloff Techniker das Haus gemietet und nicht gekauft. Klicke hier, falls Du Interesse hast, warum die Finnen die Russen fürchten oder nicht mögen.
Sali Stephan, ja das mit dem Naben Dynamo ist mir schon viele Jahre Bekannt, was genau war mit deinem Hinterrad?
Ja der Pamir hat es in sich einmal genügt, viel Schieben und sehr sehr lang und immer wieder Schotterterrassen.
Ja Morgen geht es schon wieder zurück. Lg. René
Hoi René. Werde es Dir bald persönlich erzählen…