Polen

Flachland und schlechte Strassen

Fahrrad Kilometer: 585 Kilometer

Flachland

Die Grenzüberschreitung nach Polen feiere ich mit einem erfrischenden Bad direkt an der Grenze. Haben die Fische wohl auch einen Pass? Es ist heute der erste richtig heisse Tag. Über Schotterstrassen führt es mich zur nächsten Hauptstrasse wo ich im nächsten Laden Geld tauschen kann (1 Euro = 4 Slotis). Beim Bezahlen von einem kühlen Fanta merke ich, dass es hier noch billiger ist, also grad noch ein Eis!
Über einen Abstecher geht es entlang von einigen Seen und Flüssen, die mit Schleusen verbunden sind. Da finde ich auch ein gemütlicher Platz für mein Zelt. Danach probiere ich mal einen Veloweg aus, der mich quer durch einen riesigen Wald nach Lipsk lotst. Ruhig, frische Luft, der Boden ist aufgeweicht durch den Regen, einmal verfahren. In Lipsk steht eine schöne Kirche. Warum man auch immer Kirchen fotografiert? Eine plausible Erklärung finde ich nicht raus. Ich habe das Gefühl, die Berge sind ineinander gefallen und die ganze Welt ist nur noch flach. Seit ich in Tallinn, Estland los gefahren bin, einfach nur flach. Als Schweizer bin ich anders gewohnt und für mich zu eintönig, oder langweilig.

Vor Bialystok gibt es keine andere Strasse als die Hauptstrasse, dann noch Regen. Langsam gewöhne ich mich daran im Regen zu fahren. Wenn es einigermassen warm ist, macht es fast noch Spass. Wenig später fahre ich zu einem Unfall hin. Oh, nein! Ich sehe drei Fahrräder am Strassenrand, völlig demoliert, auch das Auto ist Totalschaden. Weitere Details später. Ein anderer Radler meint, es sei sehr gefährlich hier zu radeln. Komischerweise hatte ich bis zu diesem Unfall hin keineswegs das Gefühl in Gefahr zu sein. Im Gegenteil, etwa zehn Minuten vorher habe ich mir überlegt, was ich im Tagebuch schreiben soll. Von Litauen sagt man, dass Todesgefahr herrsche mit dem Radl auf den Strassen, auch die Verkehrs-Statistik sagt das so, aber ich habe nie etwas gespürt. Im Gegenteil, die Autofahrer wie auch die Truckfahrer nehmen ausserordentlich Rücksicht auf mich. Ich hoffe auch für die anderen Fernradler. In Polen dann, dachte ich, es treffe eher auf dieses Land zu, aber auch hier überholen die Autos meistens in genügendem Abstand, sogar setzen sie den Blinker links, dann rechts. Sieht man nirgends in der Schweiz, obwohl man das lernt in der Lernfahrschule.

Tour de Polen

Nach einem weiteren „Warmshower“ in Bialostok geht es über die fürchterlichsten Strassen von Polen. Nach einer Seilen Produktionsstätte geht es durch ein Dorf mit Pflastersteinen, auf denen man nur im Schritttempo fahren kann, ansonsten würde man eine 8 in den Räder bekommen. Dann ist schieben angesagt. Ich dachte, bei fest gefahrenem Sand ist es noch möglich einigermassen zu fahren. Weit gefehlt! Mit so einem schwer beladenen Vehikel rutscht oder bleibt man stecken.
In einem Dorf treffe ich auf eine 30-köpfige Radgruppe. Sie fahren in mehr als 40 Tagen rund um Polen. Die Hälfte davon sind ex-Alkoholiker, auch die junge Frau. Ich frage sie, warum sie auf den Hauptstrassen fahren und erzähle ihnen vom gestrigen Unfall. Sie meinen fast beiläufig, das waren drei von ihrer Gruppe. Der eine verletzte sich so schwer, dass ein Helikopter kommen musste, der zweite konnte mit der Ambulanz transportiert werden und der Dritte steht auf einmal neben mir, den ich am Unfall Ort kennen lernte. Sein Fahrrad ist zwischenzeitlich repariert worden und kann weiter fahren, immer noch ohne Helm. Schwachkopf!
Sie laden mich ein bei ihnen zu übernachten. Bei Ankunft um 16 Uhr gibt es eine köstliche Suppe mit frischen Gurken, als Hauptspeise Kartoffelbrei (oder sollte es Kartoffelstock sein?) mit Hühnchen. Ich latsche ins Dorf um WiFi zu suchen, nebenbei schlürfte ich ein 500ml Glacé ohne mit den Wimpern zu zucken. Zurück beim Haus, empfangen sie mich sitzend um ein Lagerfeuer und bräteln Würste. Es wird gesungen und getanzt. Es ist eine sehr schöne Begegnung mit Einheimischen. Eine gute Ablenkung von dem flachen, gelangweilten Land. Es ist einfach schade, es gibt hier rein gar nichts zum Anschauen.

Wann kommt der Ruhetag?

Trotz vielen Trucks ist die Strasse entlang der polnischen Grenze ruhig. Ich bin müde, fahre schon seit sieben Tage oder gesagt über achthundert Kilometer ohne Pause. Drei polnische Radler ermuntern mich ein wenig, indem wir ein Stück zusammen fahren. Die Frau fährt sehr schnell. Sie kommen aus Danzig und unterrichten mich, dass der 2. Weltkrieg dort ausgebrochen ist. In was für eine Schule ging ich eigentlich? Unsere Lehrer sagten immer: „Unsere Schule ist die Elite-Schule von ganz Zürich!“
Beim Kochen fluche ich dann wie einer, der ein Ruhetag dringendst braucht, weil es immer wieder anfängt zu regnen, sobald ich den Kocher anzünden wollte.
In Chelm empfängt mich eine „Warmshower-Memberin“ mit offenen Armen. Ihre Mutter kann nur auf Englisch „hungry?“ sagen. Zum Glück wartete ich noch mit meinem Lunch, so kann ich hungrig zu greifen bei den polnischen Täschchen. An meinem wohl verdienten Ruhetag zeigt mir Klaudia, die Ärztin an der Universität studiert, das Kreidemuseum. In frühen Jahren bauten sie ein riesiges, unterirdisches Labyrinth wo sie den Kalk abbauten. Wegen Einsturz Gefahr stellten sie es ein, als ein Lastwagen ein paar Meter weiter unten zum stehen kam.