Rumänien

Fahrrad Kilometer: 630 Kilometer

Zweifel
Mit gemischten Gefühlen passiere ich die Grenze zu Rumänien. Was erwartet mich in diesem Land? Ist das Land wirklich so arm? Sind die Rumänier im allgemeinen alle Romas (Zigeuner), die nur klauen und einem das Leben schwer machen? Von denen habe ich am meisten Angst. Wo soll ich zelten, damit ich in Ruhe schlafen kann, ohne dass mein Fahrrad gestohlen oder ich ausgeraubt werde?
Der Grenzbeamte beruhigt meine Zweifeln ein wenig, indem er mich auf Deutsch Willkommen heisst und erstaunt ist, dass ich von der Schweiz komme. Über einen holprigen Damm nehme ich eine Abkürzung. Meine Zweifeln werden noch weniger, als mich ein nettes Bauern-Pärchen zu einem Cola und Birnen einlädt. Er hat Bedenken, dass die nächste Flut über den Damm fliessen mag.
Es ist immer noch flach, wie in Ungarn, aber irgendwie schöner. Die Farben der Wiesen und Felder sind satter. Das erste Dorf in das ich komme erstaunt mich. Gut bekleidete Leute, Shops wie im Westen, also eher sauber und gut eingerichtet und die Strassen sind besser als in Ungarn. Von jetzt an sind alle Zweifel verflogen und ich fange an, dieses Land zu mögen. Ich komme an vielen Schaf-, Kuh- und Ziegenherden vorbei, die von Hirten und einigen Hunden bewacht werden, die Strasse ist beschattet von einer Baumallee wie an der Champs-Élisée, jedes Dorfschild ist schön geschmückt mit Blumen, der rumänischen Farben und das Bewundernste ist, jeden Kilometer, im ganzen Land, kann man in Erfahrung bringen, wie viele Kilometer es noch geht bis ins nächste Dorf/Stadt und wie das Dorf/Stadt heisst. Ich denke da ist Nicolae Ceaușescu „schuld“ daran.

Nicolae Ceaușescu und die Romas
Bei einem Einkauf lädt mich der Besitzer gleich zum nationalen Getränk ein (52%), doch ich bleibe bei meinem Fanta. Er verdutzt mich komplett, weil er vom Komunismus schwärmt. Als Nicolae Ceaușescu im Amt war, 1947-1989, holte er viel Geld aus der National Bank und baute Häuser, Strassen und gab einen guten Lohn der Bevölkerung. Der Shop Besitzer schwärmt von den Urlauben, da er nur für eine Person bezahlen musste und der Rest der Familie war gratis. Nicolae Ceaușescu hielt die Amerikaner und andere Staaten vom Land ab, herein zu kommen, da das Land an reichen Bodenschätzen verfügt u.a. Gold und Wolfram. Mich verdutzt das so sehr, dass ich die gesamte Geschichte von Nicolae Ceaușescu durchlese und einige andere Leute dazu erfrage. So wie bei einer Abstimmung finde ich heraus, dass alle Leute verschiedene Meinungen haben, doch die meisten sind oder waren gegen Nicolae Ceaușescu.
Das Schlimmste ist aber, dass die meisten Westler denken, die Rumänier sind alles Romas sprich Zigeuner, also alles arme Schlucker, die betteln und stehlen. Liebe Leserinnen und Leser, das ist überhaupt nicht so!! Die Romas kommen ursprünglich aus Indien (bewiesen ist es aber nicht), weil viele denken Romas steht für Rumänien. Falsch!
In der Slovakei werden sie anerkannt, doch in Rumänien überhaupt nicht. Eine Primarlehrerin, die nur zweihundert Euro im Monat verdient, erzählt mir, dass es in Arad Paläste gibt mit bis zu achtzig Räumen, die von Romas bewohnt werden. Sie „verdienen“ das Geld vom Stehlen in West-Europa, aber das kennen wir ja schon, dass es solche Organisationen gibt, die den Leuten befehlen bei uns zu klauen. Wir Schweizer können froh sein, dass wir unsere Grenzen geschlossen halten, besser gesagt, nicht in der EU sind.

Duc-Festival
Die Landschaft wird hügeliger, aber ich werde noch verschont, da die Strasse durch die Hügel und nicht über die Hügel führt. Zufällig treffe ich auf einen Warmshower Kandidaten, der mich durch sein Projekt führt. Eine verlasse Höhle, die das Militär für ihr Depot benutzte. Der Mann will nun ein Hostel, Club und gleichzeitig ein Museum darin eröffnen. Am nächsten Tag verdufte ich so schnell wie ich gekommen war, da er nur dummes Zeugs schwafelt. Die Strasse wird schlechter, die kleinen Dörfer werden von Romas bewohnt. Ich werde freundlich begrüsst, nicht beklaut, eher bewundert.
Nun geht es aber nicht mehr durch die Hügel… und die Strasse ist erst noch im Bau… Zuerst fürchterlicher Schotter, dann wenige Abschnitte, die neu asphaltiert sind und dann immer wieder Blinksignale, welche lange Wartezeiten zur Folge haben. Mit meinem schlanken Velo kann ich mich manchmal durchmogeln. Wenn es rot ist, fahren noch etwa zehn Fahrzeuge durch.
Von weitem sehe ich einen Hügel, der bestimmt geeignet ist zum Fliegen. Und schon sehe ich einen Piloten, der versucht Thermik zu erwischen. Einer fährt mich hinauf, obwohl der Wind viel zu stark ist, doch ich will mich nur mal umschauen. Weil der Wind abflaute starte ich zum meinem zweiten Flug dieser Reise. Leider habe ich Probleme mit der Bremsleine und konnte mich nicht auf den dynamischen Wind konzentrieren, so muss ich nach nur 5-6 Minuten unten landen. Doch besser so, weil der Wind wieder zunahm und mich zwingt, den Schirm schnell ein zu packen. Gleichtzeit befindet sich auf dem Gelände das Duc Festival. Jedes Jahr wird die Tradition der Ducs gefeiert. Die Geschichte der Ducs führt bis ins 16. Jahrhundert und war ein Volksstamm, so wie die Römer. Die Ducs wurden dann vertrieben von den Soldaten und es gab zahlreiche Schlachten. Dies und auch wie sie lebten und arbeiteten wird an diesen drei Festtagen den Menschen vorgeführt. Es ist hochinteressant, ich kann über die Schulter der einzelnen Handwerker schauen, wie sie Münzen klopfen, Töpfern oder Spehre schmieden, auch mein Gaumen freut sich über die vielen einheimischen Gerichte, die ich alle probiere.

Transfogarascher Hochstrasse
Der Wetterfrosch meint, dass nur am Montag die Sonne scheint, danach ist es bewölkt in den Bergen. Einen Ruhetag hatte ich ja beim Duc-Festival, so kann ich Sibiu immer noch (1. Tag nach Ruhetag 120km) mit lockeren Beinen verlassen und dem Pass entgegen radeln. Blöd ist, dass bis zur Abwzeigung schon fünfundvierzig Kilometer auf dem Tacho stehen. Dreissig sind es bis zur Passhöhe. Die ersten zehn sind noch einigermassen flach bis zu einem Dörfchen, aber dann steigt die berühmte Strasse, die mich über die Karpaten führt. Gebaut wurde diese Passstrasse von politischen Gefangenen von Nicolae Ceaușescu. Viele sind dabei gestorben. Ich habe auch das Gefühl, es an einem Tag nicht zu schaffen. Wie beim Stilfserjoch sehe ich, wie die Strasse hin und her nach oben geht und kleiner wird. Nach etwa drei Pausen und vielen Fotostops komme ich als Champion oben an. Der Blick runter auf die Ebene ist wunderschön und auch auf die umliegenden Bergen. Herrlich, wieder einmal mitten im Gebirge stehen zu dürfen!
Zum Lob schlafe ich auf dem Pass, weil ich noch einen Gipfel besteigen will. Leider hat der Wetterfrosch doch recht gehabt und den höchsten Gipfel, der über den Pass bzw. über dem Tunnel steht, in Nebel eingehüllt. Der Gipfel nebenan ist jedoch frei von Nebel und Touristen, so kann ich die geschlängelte Passstrasse von weit oben betrachten. Im ganzen brauche ich drei Tage für den gesamten Pass. Da der Abstieg noch an einem sehr langen Stausee vorbei führt, übernachte ich nochmals bei klirrender Kälte. Vor drei Tagen waren es 36 Grad im Schatten, an diesem Morgen nur 9 Grad, brrr!

Bukarest
Nein, nicht schon wieder eine Hauptstadt und dann noch so eine grosse und hässliche Stadt. ABER ich hatte vier Gründe dahin zu gehen. Der erste Grund holt mich schon auf dem Weg in die Metropole ein… genau der Regen. Die zwei Ruhetage (2. Grund) sind auch völlig durchnässt mit Regen. Beim drittenn Grund liege ich einmal auf dem Bauch und dann auf dem Rücken und lasse mich von Kopf bis Fuss verwöhnen. Die Ruhetagen sind nicht so ruhig, wie ich mir das vorgestellt habe, denn mich befallen einige Bettläuse mit einigen hundert Bissen meinen ganzen Körper. Es beisst mich zum Wahnsinn!! In jedem Hostel in dem ich bis jetzt war, war die Hölle! Hitzig, laut, bissig.
So freue ich mich wieder auf dem Sattel zu sitzen und zu meinem vierten Grund hin zu fahren. Auch nach dem ich diesen Hit gemacht habe, kann ich mir es immer noch nicht erklären, warum man aus einem fliegenden Flugzeug springen kann. Jawohl, und ich habe es endlich hinter mir, mein ERSTER Skydive Sprung von dreitausend Meter. Ein wahnsinns Gefühl. Sehr, sehr scary aber einfach wunderbar, sich einfach auf die Erde nieder zu stürzen mit bis zu zweihundert Kilometer pro Stunde. Das Atmen fällt mir nicht schwer, aber ich werde fast taub vom lauten Wind. Leider nach nur dreissig Sekunden öffnet sich der Fallschirm und ich kann meine Gleitschirm Fähigkeiten an einem schwer steuerbaren Fluggerät dem Instruktor, der hinter mir hängt, vorführen. So fliege ich eine Steilspirale, sodass der Insti mir auf die Schultern klopft und ruft: „Stop it!“ Unser „Transport-Flugzeug“, gebaut vor der Kriegszeit in der Ukraine, landet scheppernd auf der Landebahn und kommt mit Feuer aus dem Auspuff zum Stehen.
Der letzte Tag in Rumänien fängt mit einem Highligt (Skydive) an, und hört in der Hölle auf, was durchaus nicht hätte sein müssen. Da ich nochmals nahe der Donau schlafen und baden möchte, fahre ich auf den Damm bis ich ein schönes Plätzchen finde. Doch der Fluss ist nirgends zu sehen, weil der Damm zu weit weg ist, dazu kommt es, dass der ganze Boden vom vielen Regen der letzten zwei Tagen aufgeweicht ist. Also entscheide ich mich vom Damm runter zu gehen und so schnell wie möglich zur Haupstrasse zurück zu radeln. Vom Damm konnte das Wasser abfliessen, aber auf der Ebene nicht, sodass der Regen den ganzen Boden aufgeweicht hat. Da die Strasse nicht asphaltiert ist, wird es schnell einmal schlammig. Der Schlamm baut sich auf meinen Rädern auf, klemmt sich zwischen Rädern und Schutzblech ein. Das Schutzblech verbiegt es immer wieder, bis es kaputt geht, das Hinterrad wird immer wieder blockiert, musste mit den Fingern den Schlamm weg kratzen. Aber es wird immer schlimmer und schlimmer! So hilft nur eines, alles Gepäck abladen und das ultra schwere Gepäck in einem Male einige hundert Meter weit in den Händen zu schleppen, nochmals zurück stampfen, um das Fahrrad her zu holen. Ich bin mit den Kräften am Ende! Die Sonne geht langsam unter. Da höre ich ein Motoren Geräusch. Ein Jeep! Ich strecke lässig meinen Daumen raus. Der Jeep hält an, oh wie schön! Ups, die Männer sind von der Grenzpolizei und wollen meinen Pass sehen. Tut mir leid, der Pass liegt weit vorne, ich habe hier nur mein Fahrrad. Sie verstehen nicht ganz. Nur das eine, dass ich hilflos ausgeliefert bin und sie mir helfen müssen. Das Gepäck kommt in die Mitte, ich hinten im Gepäckraum und halte das Velo, das halb aus dem kleinen Auto schaut. Nicht mit Blaulicht, aber mit Allrad-Antrieb gehts durch Centimeter tiefen Schlamm zur Polizeistation, wo sie meinen Pass mustern. Ich bin sehr erleichtert gerettet worden zu sein, denn der Weg war noch verdammt lange bis zur Hauptstrasse. An diesem Abend hätte ich es nicht mehr geschafft. Die Polizisten sind sehr nett, geben mir zur Info, dass Roger Federer heute im Finale steht mit Djokovic (ich weiss immer noch nicht wer gewonnen hat??) und darf erst noch mein komplett verschlammtes Velo mit dem Schlauch abspritzen. Im Dunkeln finde ich ein ruhiges Plätzchen hinter einem verlassenen Haus. Wenn nur die ewig bellenden Hunden nicht wären.

Rumänien ist ein wunderschönes Land. Es ist mir so sehr ans Herz gewachsen, dass es an dritter Stelle meiner bisherigen Weltreise kommt, nach Norwegen und der Slovakei.
Die Leute sind sehr nett, gastfreundlich, anständig (Verkehr). Das Land und die Kultur ist sehr interessant. Man lernt viele Fremdes, das man von den Medien nie mitbekommen wird. Auch für Trekkingfans ist es ein Traum die Karpaten zu erwandern. Wer ein Skydive Kurs machen will, geh nach Rumänien! Ein Kurs fängt von 1300 Euro an, die besseren etwa bei 3000 Euro. Im Vergleich zur Schweiz: mind. 8000 Franken!
Die Strassen sind im Westen und Norden ausgezeichnet. Südlich von den Karpaten leider ziemlich schlecht. Die Hauptstadt empfehle ich durchaus nicht, ausser man will das zweitgrösste Regierungshaus der Welt besuchen. Natürlich hatte Nicolae Ceaușescu seine Hand im Spiel. Er wollte es in sieben Monaten gebaut haben lassen. Die Stockwerke, die man von aussen sieht, ist nur ein kleiner Bruchteil, der weit unter die Erde reicht. Es hat so viele Räume, dass bei weitem nicht alle vermietet werden können. Die Allée ist länger, breiter, sollte schöner werden als die berühmte Champs-Ellisée.
Und das Wichtigste zum Schluss: lasst Euch nicht beängstigen von den Romas. Ich hatte überhaupt keine schlechte Erfahrung gemacht. Im Gegenteil, sie grüssten mich und schenkten mir Respekt. Doch passt auf, auf die Romas in den westlichen Ländern, gebt kein Geld, auch wenn sie arm aus sehen und noch einige Kindern im Schlepptau haben. Sie müssen das gesamte erbettelnde bzw. geklaute Geld an ihrer Organisation abgeben.

Euer Stephan


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